Nach dem ersten erlebnisreichen Wochenende, ging es am Montag, den 20. September das erste Mal zur Arbeit. Meine Einsatzstelle NAOMI liegt in der Innenstadt Thessalonikis im 6. Stockwerk eines Hauses, in dem sich auch weitere NGO's befinden. Am Montag sind Julia, Mo und ich gemeinsam mit dem Bus zur Arbeit gefahren. Dort angekommen wurde uns erstmal alles gezeigt und alle Mitarbeiter*innen vorgestellt. Im nächsten Blog-Eintrag werde ich sie auch euch vorstellen, sodass ihr sie und ihre Geschichten kennenlernen könnt!
Von allen wurden wir sehr nett und offen begrüßt und wurden dann sofort in den Arbeitsalltag mit eingebunden. Diese Woche waren wir maßgeblich in der Produktion tätig. Einerseits bietet NAOMI Nähkurse, Projekte und Workshops für erwachsene und minderjährige Geflüchtete zur Förderung von Integration und Austausch an. Andererseits gibt es die Produktion. NAOMI erhält verschiedene Aufträge, zurzeit zum Beispiel für 500 rote T-Shirts für die NGO Medical Volunteers aus Hamburg. Ein weiteres großes Projekt ist die Produktion 3000 warmer Jogginghosen für den Winter. Diese werden an obdachlose Geflüchtete in Thessaloniki verteilt um etwas Wärme im Winter zu spenden (mehr zum Projekt findet ihr unter folgendem Link https://www.youtube.com/watch?v=Dhy_9uY6p44). T-Shirts, Hosen und anderweitige Aufträge werden dann von den Schneider*innen zugeschnitten und genäht und anschließend auf herausstehende Fäden, kleine Mängel (wie zum Beispiel aufgelöste oder unsaubere Nähte) kontrolliert, gebügelt und zusammengelegt.
Montag und Dienstag bestanden Julias und meine Aufgabe hauptsächlich darin, Fäden von roten T-Shirts und hellen Tragetaschen abzuschneiden und diese zu bügeln. Insbesondere bei den Tragetaschen waren alle Hände gefragt, da sie für ein großes, am Donnerstag bevorstehendes Event fertig sein mussten. Aufgrund der Organisation des Events und auch weil in unserer ersten Arbeitswoche zwei Mitarbeiterinnen verabschiedet wurden, war insgesamt sehr viel los, sodass wir unsere genauen Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche erst in der folgenden Woche besprechen konnten.
Der Mittwoch war ein sehr spannender Tag: Ich durfte Hassan, Soziale-Arbeit-Student im Praxissemester aus Bonn, ursprünglich Syrien, beim Projekt Traumatherapie mit Pferden begleiten. Die Pferdetherapie ist ein Projekt für minderjährige Geflüchtete, mit dem Ziel Austausch und Zusammenarbeit zu fördern. Am Mittwochnachmittag kamen drei zwischen 12 und 15 Jahre alte Geflüchtete, deren Eltern ebenfalls Nähkurse und Workshops bei NAOMI belegen oder belegt haben, zu uns in die Einsatzstelle. Im Bus zum Reitplatz trafen wir dann auf eine weitere Gruppe etwa gleichaltriger Kinder und Jugendlicher, die von einer anderen NGO betreut wurden. Gemeinsam fuhren wir zum etwa eine Dreiviertelstunde entfernten Reitplatz. Viele der Kinder und Jugendlichen wurden in Griechenland geboren und sprechen daher fließend Griechisch, die NAOMI-Gruppe sprach zudem sehr gutes Englisch und einige sprachen Arabisch. Die verschiedenen Sprachen waren aber kein Problem, da der Reitlehrer alle drei Sprachen und sogar Deutsch beherrschte, sodass auch Hassan und ich uns gut mit ihm verständigen konnten. Nach einer Vorstellungsrunde durften die Kinder zwei Pferde putzen und striegeln und dann ging es auch schon auf den Reitplatz. Zuerst gab es eine Übung, bei der wir uns alle - einschließlich Hassan und ich - an den Händen und zwei das Pferd am Sattel hielten. So bildeten wir eine lange Schlange - in der Mitte das Pferd. Ohne die Kette zu brechen, mussten wir uns anschließend auf Anweisung des Reitlehrers nach vorne oder hinten bewegen, einen Kreis bilden oder auf einem Bein stehen. Danach durften alle eine Runde reiten, darauf hatten sich die Kinder besonders gefreut. Zum Abschluss wurden Saft und Kekse herumgegeben, das gegenseitige Anbieten der Kekse und des Safts sollte das Miteinander und den gemeinsamen Umgang stärken, erklärte uns der Reitlehrer. Schließlich gab es noch eine Feedback-Runde zur Förderung des offenen Austauschs und dem respektvollen Begegnen verschiedener Meinungen.
Obwohl es recht kühl und windig gewesen war, gefiel der Nachmittag allen Kindern und Jugendlichen sehr gut und auch der Reitlehrer war sehr zufrieden!
Auch für mich war es ein sehr interessanter Tag, leider wird das Projekt in Zukunft voraussichtlich nur noch zweimal stattfinden. Aber neue Projekte, insbesondere im sportlichen Bereich sind in der Planung - ich hoffe sehr, dass ich dort mitwirken werden darf!
Auch der Donnerstag war ein interessanter Tag - der Tag des großen Events! Da es in der Einsatzstelle nicht viel zu tun gab, durften auch Julia und ich dort vorbeischauen. Bei dem bereits vier Monate lang geplanten Event, welches vor dem Rathaus Thessalonikis stattfand, handelte es sich um den "Thessaloniki Karrieretag #job4all". Zahlreiche Interviews, Infoveranstaltungen und Vorstellungsrunden zielten darauf zwischen arbeitsuchenden Geflüchteten, Asylbewerber*innen und Migrant*innen und arbeitgebenden Firmen und Betrieben auf der Suche nach Mitarbeiter*innen zu vermitteln. Damit unabhängig ihrer Griechisch-Kenntnisse alle gleichermaßen zuhören und sich bei Fragen oder Redebedarf beteiligen konnten, gab es eine Echtzeit-Übersetzung des Gesagten in verschiedenen Sprachen, die man per Kopfhörer verfolgen konnte. Auf diese Weise konnten auch Julia und ich auf Englisch mithören. Mehr Infos zum Karrieretag und anderen Projekten und Events von NAOMI könnt ihr außerdem auf NAOMIS Facebookseite finden, hier der Link: https://www.facebook.com/NAOMIPROJEKT1/ - guckt gerne mal rein, es gibt auch schon Posts mit von mir und dem T-Shirt-Projekt !
Nach dem aufregenden und erfolgreichen Karrieretag verlief der Freitag dann wieder etwas entspannter. Ich musste erst um 13:00 Uhr kommen, da ich für die Nachmittagsschicht eingeteilt war. Normalerweise finden nachmittags die Nähkurse statt, diesen Freitag fielen diese jedoch aus, sodass ich schon etwas früher Schluss machen konnte. Da neben kleineren Arbeiten in der Produktion nicht viel zu tun war, konnte ich selbst ein kleines Nähprojekt starten und habe einen Einkaufsbeutel genäht!
Das war das Ende meiner aufregenden ersten Arbeitswoche!
Aber natürlich bestand die vergangene Woche nicht nur aus Arbeit - gemeinsam mit Julia und Mo habe ich Thessaloniki weiter erkundet, wir waren gemeinsam an der Promenade joggen (sehr anstrengend, da Mo sehr sportlich ist) und haben eine große Putz- und Umräumaktion in unsere Wohnung gestartet! Außerdem haben wir Noemi eine weitere Freiwillige vom Gustav-Adolf-Werk aus Katerini, einer nahegelegenen kleinen Stadt, kennengelernt und haben am Sonntagabend gemeinsam mit anderen deutschen Freiwilligen auf deren Dachterrasse die Bundestagswahl verfolgt!
Und auch in Woche 2 habe ich viel erlebt! Während meiner Vormittagsschichten habe ich wieder viel in der Produktion mitgeholfen, Dienstag und Donnerstag während meiner Nachmittagschichten, durfte ich die Nähkurse von Elke und Elena miterleben. Elke gibt dreimal die Woche Nähkurse für Anfänger*innen, Fortgeschrittene und Profis. Am Dienstag waren, die Fortgeschrittenen dran. Während Elkes Schüler*innen gerade Sweatshirts mit Reißverschlüssen nähen, durfte auch ich ein kleines Nähprojekt starten: Kissen für die Wohnung (bis auch ich meine eigenen Hoodies nähen kann, muss ich noch ein bisschen über!). Donnerstags und Freitag gibt Elena, eine junge Designerin aus Thessaloniki, Nähkurse für minderjährige, unbegleitete Geflüchtete. Am Donnerstag kam zwar nur ein Schüler, trotzdem haben wir einen netten Nachmittag zusammen verbracht!
Außerdem gebe ich seit dieser Woche Deutschunterricht. Ich habe die junge Afghanin Zakia als Deutschschülerin von einer ehemaligen Freiwilligen übernommen. Am Mittwoch hatten wir unsere erste Deutschstunde und haben uns direkt sehr gut verstanden! Jetzt bin ich gerade am Planen für die nächste Stunde und überlege, wie man die vier Fälle am besten erklären kann. Es ist sehr interessant die deutsche Sprache aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wenn man selbst alles automatisch macht, fallen einem all die kleinen Schwierigkeiten und die Komplexität der Sprache kaum auf, wenn es dann zum Erklären kommt kann es manchmal ganz schön schwierig werden. Zum Beispiel bestand eine Übung aus Zakia's Übungsheft darin, Fragen wie "Bist du krank?" zu verneinen und auf folgende Art zu antworten: "Nein, ich bin gesund". Dass "gesund" das Gegenteil zu "krank" bildet, ist noch recht einfach, aber kurze Zeit später sind wir über das Wort "alt" gestolpert. Das Gemüse ist nicht alt, sondern frisch, aber wenn ein Auto nicht alt ist, ist es nicht frisch, sondern neu und das Gegenteil eines alten Mannes ist kein neuer oder frischer Mann, sondern ein junger Mann.
Auch in meiner zweiten Woche habe ich neben meiner Arbeit viel Spannendes erlebt! Am Montag Nachmittag habe ich an einem City-Quiz teilgenommen. Organisiert wurde dieses Event eigentlich von den ERASMUS-Studenten in Thessaloniki, aber da Danai Mitorganisatorin war durfte ich auch mitkommen. Das Quiz bestand hauptsächlich aus kleinen Spielen und Challenges, wie zum Beispiel stille Post mit griechischen Wörtern. Abends waren wir dann noch mit einer kleinen Gruppe am Peer und haben einen sehr netten Abend verbracht!
Am Wochenende habe ich Noemi, die Freiwillige vom Gustav-Adolf-Werk, in Katerini besucht. Insbesondere die Zugfahrt war eine aufregende Angelegenheit, da ich nur wenige Minuten vor Abfahrt am Bahnhof angekommen war, auf meinem Ticket eine falsche Uhrzeit stand, ich das Gleis nicht finden konnte und alles nur auf Griechisch ausgeschildert war. Irgendwie hat dann aber doch alles geklappt und ich habe gemeinsam mit Noemi einen sehr netten Tag in Katerini verbracht: Nach einem leckeren "freddo Cappuccino" (ein mit Eiswürfeln gekühlter Cappuccino mit kaltem, super cremigen Milchschaum - den trinken hier alle, sehr lecker), sind wir ein bisschen durch die Stadt bis zum Strand spaziert!
Das waren meine zwei ersten sehr erlebnisreichen Wochen in Thessaloniki!
Ich melde mich bald wieder mit neuen Updates, ab jetzt hoffentlich regelmäßiger!
Bis dahin, liebe Grüße aus Thessaloniki
Eure Hannah
Sehr interessant, was Du geschrieben hast. Über den Sprachunterricht bezgl alt, müssten wir sehr lachen