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hannahhertzberg

Flucht und Migration in Griechenland – Die politische Dimension und ihre verheerenden Folgen


Hallo zusammen,


hier kommt vorerst mein letzter Blogeintrag. Ich habe an diesem Blogeintrag schon lange gearbeitet und recherchiert und es war mir sehr wichtig ihn nun endlich zu veröffentlichen.


Mein heutiger Blogeintrag wird sich etwas von meinen vorherigen Berichten unterscheiden. Während ich in meinen anderen Beiträgen meist über sehr persönliche, mich und mein Umfeld direkt betreffende Erfahrungen geschrieben habe, möchte ich in diesem Beitrag den Fokus von mir und meiner Arbeit etwas lösen. Ich möchte versuchen den Umgang mit Flucht und Migration in Griechenland, spezifisch auf der politischen Ebene, zu beleuchten. Um zu verstehen, warum die Arbeit von NGO’s wie NAOMI oder QRT so unerlässlich ist, ist es wichtig zu verstehen, was im Hintergrund auf politischer und rechtlicher Ebene geschieht, mit welchen Hürden Geflüchtete in ihrem Migrationsprozess konfrontiert sind und zu hinterfragen, wer die Verantwortung für die gegenwärtige Situation trägt.


Da ich durch meinen Freiwilligendienst in Thessaloniki eine ganz einzigartige Möglichkeit hatte, direkt und nicht nur über Medien über die Umstände Vorort zu lernen und Zusammenhänge zu verstehen beginne, die mir ohne diesen direkten Kontakt sehr abstrakt geblieben wären, möchte ich meine Position nutzen, um meine Perspektive und meine Erschütterung bezüglich der Situation von Schutzsuchenden in Griechenland mit euch zu teilen. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich trotz großer Bemühungen ein möglichst vielschichtiges Bild zu zeigen, doch keinesfalls die allumfassende Komplexität des Gesamtbilds der Themen Flucht und Migration beleuchten kann. Aber ich möchte mit euch teilen, was ich bis jetzt gelernt habe und euch bitten und anregen gemeinsam mit mir weiter zu lernen. Wir müssen der Situation in Griechenland und allgemein den Themen Flucht und Asyl mehr Beachtung, Auseinandersetzung und Hinterfragung schenken.



Die Flüchtlingssituation in Griechenland


Mit Kriegsbeginn 2011 in Syrien stiegen die Zahlen der in Griechenland ankommenden flüchtenden Menschen stetig. Die Zahlen gipfelten 2015/16, als mehr als eine Millionen Geflüchtete Griechenland über die Landesgrenze der Türkei oder das Mittelmeer erreichten. Viele nahmen Griechenland als ein Transitland, um weiter nach Norden zu kommen. Das griechische Asylsystem und die Aufnahmekapazitäten von Auffanglagern für geflüchtete Menschen waren auf einen solchen Andrang nicht vorbereitet. Darunter litten insbesondere Geflüchtete, die im Land bleiben und auf engstem Raum unter unmenschlichen Bedingungen warten mussten, bis innerhalb eines „Relocation Programs“ der EU über ihre Zukunft in Europa entschieden wurde.


Das EU-Türkei-Abkommen 2016 zielte offiziell darauf ab, die Situation in Griechenland zu entschärfen, die Regierung zu entlasten und mehr Schutz und menschlichere Bedingungen für Geflüchtete zu schaffen. Im Abkommen mit der Türkei versprach die EU Milliarden-Hilfen, damit die Türkei im Gegenzug Fluchtrouten abriegelte und Geflüchtete aus Griechenland, die über Mittelmeerrouten auf griechischen Inseln ankamen, zurücknahm. Außerdem Teil des Deals war ein 1:1-Mechanismus, nach dem pro Abschiebung aus Griechenland in die Türkei, eine geflüchtete Person aus der Türkei in ein anderes EU-Land umgesiedelt werden sollte.

Vorerst sanken die Zahlen von Migrant*innen in Griechenland und die EU-Gelder wurden in der Türkei in den Bau von Schulen und in Hilfsorganisationen gesteckt. Doch schnell wurde deutlich, dass die Umsetzung des Deals nicht so lief wie geplant. Die langsame griechische Asylbearbeitung führte dazu, dass die Rückführung von Migrant*innen von den griechischen Inseln erschwert wurde. So erreichten weit mehr Menschen die griechischen Inseln, als in die Türkei zurückgeführt wurden und die ohnehin schon überfüllten Auffanglager, mussten noch mehr Menschen aufnehmen. Sicherlich erinnert Ihr euch noch gut an die schrecklichen Schlagzeigen und Bilder vom Lager Moria auf der Insel Lesbos. Unterdessen stiegen auch die Zahlen der in der Türkei ankommenden Geflüchteten weiter an und es wurde immer mehr Millionen Gelder gefordert. Auch das Umsiedlungsprogramm, das Relocation Program, wurde erschwert, da sich einige EU-Länder gegen die Aufnahme Geflüchteter aussprachen. Insgesamt wurden innerhalb des Programms zu wenig Plätze für Geflüchtete in anderen EU-Ländern zur Verfügung gestellt. Auch davon wurde nur ein kleiner Teil der versprochenen Aufnahmen ausgeführt, selbst Deutschland erfüllte nicht die angestrebte Zahl. Kritisch zu hinterfragen bleibt außerdem die Idee des 1:1-Mechanismus. Dabei wird nämlich nicht die Person, die aus Griechenland in die Türkei abgeschoben wurde, in ein anderes EU-Land umgesiedelt, sondern eine andere geflüchtete Person in der Türkei. Dass Geflüchtete so oft nur als Zahlen und nicht als Individuen, als Menschen, gesehen werden, zeigt sich an diesem Teil des Deals nur zu deutlich.


Im März 2020 kam es schließlich zu einem Bruch im EU-Türkei-Abkommen. Die Türkei verkündete, die türkisch-griechische Grenze zu öffnen und keine Geflüchteten von den griechischen Inseln mehr zurückzunehmen. Dies führte zu einem großen Andrang an der Grenze, dem mit brutalem Grenzschutz von griechischer Seite begegnet wurde, und dazu führte, dass immer mehr Menschen auf den griechischen Inseln festsitzen.

Bei all diesen Entscheidungen und Verhandlungen wurde verraten, was eigentlich an erster Stelle stehen sollte: Schutz und würdige Behandlung der Menschen, über deren Zukunft und Leben entschieden wird.



Das Asylverfahren: Probleme davor, dabei und danach


Asylantragsverfahren und der Gang ins Limbo


In Griechenland Asyl zu erhalten, ist nicht einfach. Selbst wenn man als geflüchtete Person eine griechische Insel oder das Festland erreicht hat, erhalten viele Geflüchtete aufgrund sogenannter illegaler „Pushbacks“ oftmals gar nicht erst die Möglichkeit ihr Recht wahrzunehmen und einen Asylantrag zu stellen. So werden viele Menschen ohne, dass geprüft wird, ob sie einen Schutzgrund haben, zurück in die Türkei geschickt. Derartige Pushbacks sind menschenrechtswidrig, da sie dem Recht auf Asyl, festgeschrieben im Genfer Flüchtlingsabkommen, widersprechen. Diese Pushbacks sind oft gewaltvoll: Geflüchteten wird alles genommen und sie werden geschlagen, was regelmäßig Verletzungen und auch Tod zur Folge trägt. Die Verantwortung bleibt oft ungeklärt. Die griechische Regierung behauptet, keine Pushbacks durchzuführen und gibt der Türkei die Schuld, gefährliche Grenzübergänge zu ermöglichen. Die Türkei wiederum weist derartige Anschuldigungen zurück. Viele Hilfsorganisationen, Betroffene und selbst der Präsident des UNHCR klagen Griechenland und Frontex, die europäische Grenzschutzagentur, wegen der Pushbacks an. Amnesty International berichtet von über 1000 dokumentierten Fällen und die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher sein.


Asylantragsstellung auf den Inseln


Wenn man allerdings vorerst nicht Opfer eines Pushbacks wird, gelangt man nach Ankunft auf einer der griechischen Inseln meist in ein Auffanglager. Zu Corona-Hochzeiten begann der Aufenthalt dort mit einer 14-tägigen Quarantäne unter sehr undurchsichtigen Bedingungen beginnt. Innerhalb dieser zwei Wochen wurden Geflüchtete komplett von der Außenwelt, unter anderem von Hilfsorganisationen oder juristischem Beistand, abgeschnitten. Es wird aber berichtet, dass die Quarantänebedingungen versorgungs- und hygienetechnisch äußerst unzumutbar gewesen seien. Beispielsweise sei 14 Tage lang kein Zugang zu sanitären Anlagen wie Duschen gewährleistet worden.


Im Anschluss an die Quarantäne folgt eine Registrierung, sowie der erste Teil des Asylverfahrens, in dem 97% der auf den Inseln ankommenden Menschen abgelehnt werden. Daraufhin besteht die Möglichkeit Widerspruch einzulegen, allerdings wird auch im 2. Verfahren meist kein Anspruch auf Asyl bestätigt, mit der Begründung, die Türkei sei ein „sicherer Drittstaat“ für Geflüchtete und könne den gleichen Schutz bieten wie EU-Länder. Da die Türkei seit 2020 allerdings keine Geflüchteten mehr zurücknimmt, ist leicht zu erkennen, dass hier eine Sackgasse entsteht. Da die Türkei sich weigert Geflüchtete wieder aufzunehmen, läuft es aber nicht etwa darauf hinaus, dass ihnen doch Asyl in Griechenland gewährt wird, sondern dass sie in Abschiebegefängnissen, sogenannten „Pre-Removal Detention Camps“, auf ungewisse Zeit ausharren müssen. Dort werden sie gefangenen gehalten und haben weder in der Türkei noch in Griechenland die Möglichkeit, Asyl zu bekommen und in Freiheit zu leben. Hier sprechen viele von den Zuständen als „Limbo“: Geflüchtete befinden sich zwischen den Interessenkonflikt der verschieden Staaten ohne vor oder zurück zu können.


Im Jahr 2021 sind nicht mehr als 20.000 Geflüchtete in Griechenland gelandet. Diese im Vergleich zu den Vorjahren niedrige Zahl beruht nicht zwangsläufig darauf, dass weniger Menschen flüchten, sondern liegt zu Großem Teil daran, dass weniger Geflüchtete in Griechenland aufgenommen werden, beziehungsweise aufgrund der täglich stattfindenden Pushbacks überhaupt die Möglichkeit erhalten einen Asylantrag zu stellen.


Asylantragsstellung auf dem Festland, Kreta und Rhodos


Das Beantragen von Asyl auf dem Festland läuft etwas anders ab. Bis Ende 2021 mussten Geflüchtete, die auf dem Festland oder den Inseln Kreta und Rhodos Asyl beantragen wollten, der griechischen Asylbehörde ihr Anliegen ankündigen, bevor sie tatsächlich einen Antrag stellen konnten. Dies geschah meist über Skype. Solange ein Asylantrag nicht gestellt oder vorregistriert wurde, gab es keine Rechtsgrundlage für den Aufenthalt in Griechenland.

Dies führte dazu, dass bereits schutzbedürftige Personen ohne jegliche Unterstützung, gefährlichen und unmenschlichen Situationen ausgesetzt waren. Darunter fällt ein erhöhtes Risiko für illegale Push-Backs sowie der fehlende Zugang zu medizinischer Versorgung, Unterkünften, Nahrungsmitteln oder anderen Aufnahmediensten. Teilweise waren Geflüchtete diesen Bedingungen bis zu 14 Monate ausgesetzt, bis sie per Skype mit dem Asylservice in Verbindung treten konnten.

Da nicht alle Geflüchteten Zugang zu Internet und elektronischen Geräten wie Computern oder Handys haben, erschwerte die Vorregistrierung über Skype, den Asylzugang noch zusätzlich. Zudem wurde mehrfach von technischen Problemen mit den Skype-Adressen berichtet, so waren beispielsweise die Zugangsdaten für den Urdu-Sprachigen Skypezugang über ein Jahr auf der Website der griechischen Regierung falsch angegeben, sodass eine Vorregistrierung für Pakistanis lange Zeit unmöglich war.

Im November 2021 kündigte die griechische Regierung weitreichende Änderung im Asylsystem an, die die Abschaffung des Skype-Systems beinhalteten. Stattdessen müssen sich die Schutzsuchenden nun an zwei Aufnahmezentren auf dem griechischen Festland wenden. Diese Zentren sind jedoch nur teilweise betriebsbereit oder bergen aufgrund ihrer Nähe zur türkischen Grenze hohes Risiko für Pushbacks, so dass die meisten Menschen auf dem griechischen Festland, Kreta und Rhodos seit dem 22. November 2021 sehr eingeschränkten Zugang zu Asyl haben. Diese starke Einschränkung des Asylrechts bringt schutzsuchende Menschen nicht nur in eine gefährliche, prekäre Lage, sondern ist außerdem auf nationaler und internationaler Ebene rechtswidrig.


Das Asylverfahren


Das Asylverfahren selbst ist oft an lange Wartezeiten geknüpft, in denen die Menschen in Camps festsitzen, dies dauert oft zwischen anderthalb und drei Jahren, manchmal noch länger. In dieser Zeit des ständigen Wartens, werden die Menschen kaum unterstützt, von der Regierung gibt es nur sehr geringfügige, unzuverlässige Hilfen und Förderung zur Integration. Die Zeit der Asylbewerbung ist deshalb für viele Menschen eine verlorene Zeit. Integrationsarbeit wird beinahe ausschließlich von NGO’s, wie beispielsweise NAOMI oder QRT, geleistet.

Die Lebensbedingungen in den Camps unterscheiden sich stark. Doch auch in den Camps mit den verhältnismäßig besseren Bedingungen sind derartig lange Zeiträume, wie viele Menschen sie dort verbringen müssen, zermürbend. Das Leben in den grauen Containern abgeschottet von der Gesellschaft durch Mauern und Überwachung gleicht häufig einem Gefängnisaufenthalt. Auf diese Weise werden unschuldige Menschen kriminalisiert, was nicht nur psychisch stark belastend für Campbewohnende ist, sondern auch das Bild der Bevölkerung von Geflüchteten auf eine negative Weise prägt. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass die Errichtung von Mauern um die Camps mit großen EU-Geldern in Höhe von über 23 Millionen Euro subventioniert wird. Angeblich geschähe dies zum Schutz der Bewohner*innen, doch tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall: Drei-Meter-hohe Betonmauern führen nur zu noch mehr Aus- und Abgrenzung von der Gesellschaft, sie gettoisieren und kriminalisieren unschuldige Menschen.


In vielen Flüchtlingslagern herrschen zudem weitere unmenschliche Bedingungen, wie eine unzureichende Versorgung an Lebensmitteln, kaum medizinischer Beistand oder eingeschränkter Zugang zu Elektrizität. Auch hier sind es NGO’s, die versuchen gegen derartige Missstände anzukämpfen und durch freiwillige Ärztinnen und Ärzte und Foodboxes den Menschen in den Camps beizustehen. Dabei wird ihnen die Arbeit allerdings massiv erschwert, da der Zugang in die Camps nur nach einer aufwendigen und teuren Registrierung im Ministerium genehmigt wird. So wird außerhalb der Mauern geholfen, was sehr viel aufwendiger für alle Beteiligten ist.


Asylschutz und Ausschluss aus den EU Programmen: Recognised but unprotected


Doch selbst wenn einem schließlich nach langer Zeit des Wartens Asyl zugesagt wird, ist das nicht immer nur positiv. Denn nach dem Erhalt einer Anerkennung muss der Platz im Camp oder in einem Apartment innerhalb von wenigen Wochen geräumt werden. Die wenige, häufig sehr unregelmäßige finanzielle Unterstützung des Staates stoppt und es besteht keinerlei Unterstützung bei Wohnungs- oder Arbeitssuche, geschweige denn durch Integrationsangebote. Zwar gibt es für Menschen mit Schutzstatus in Griechenland ein spezielles Unterstützungsprogramm vom griechischen Staat, die Partizipation an diesem Programm ist aber an verschiedene Bedingungen und Hürden geknüpft, sodass nur ein sehr kleiner Anteil davon tatsächlich profitiert. Das führt dazu, dass viele Geflüchtete, nachdem sie in Griechenland Asyl erhalten haben, mit Obdachlosigkeit und Hunger konfrontiert sind. Diese entmenschlichende Behandlung geflüchteter Menschen führt letztendlich in vielen Fällen dazu, dass Geflüchtete trotz Asyl in Griechenland das Land verlassen. Durch die Anerkennung bekommen sie Reisepapiere, die die Ausreise aus Griechenland erlauben. Mit der Hoffnung auf bessere Bedingungen in anderen EU-Ländern, bewerben sich viele Geflüchtete ein zweites Mal in einem anderen Land auf Asyl, was eigentlich nicht vorgesehen ist. Allerdings haben deutsche Gerichte bereits entschieden, dass in Griechenland anerkannte Geflüchtete, die nach Deutschland gekommen sind, nicht in diese unhaltbaren Zustände zurückgeschickt werden dürfen.

Allerdings tauchen hier ernstzunehmende Probleme auf, wenn Geflüchtete, die in Deutschland anerkannt worden sind, aus beispielsweise familiären Gründen, nach Griechenland für einen gewissen Zeitraum zurückkehren und anschließend wieder nach Deutschland einreisen wollen. Häufig kommt es dazu, dass Geflüchteten ihre Papiere von der griechischen Polizei abgenommen und sie anschließend in die Türkei abgeschoben werden. Hinzu kommen Wartezeiten für Visa-Termine in deutschen Botschaften, die länger als 12 Monate dauern können. Während dieser Wartezeit sind Geflüchtete vollkommen schutzlos. Da sie in Griechenland oder der Türkei nicht anerkannt sind, erhalten sie keinerlei Unterstützung oder Sozialhilfen und müssen mit Hunger, Obdachlosigkeit und ständiger Angst und Unsicherheit kämpfen. Erst nach erfolgreicher Visabeantragung, die ohne juristischen Beistand oft unmöglich ist, können sie zurück nach Deutschland.

Wie absurd und menschenverachtend diese Behandlung von Geflüchteten ist, wird besonders deutlich, wenn man sie mit dem Umgang deutscher Staatsbürger vergleicht: Verliert eine Person mit deutscher Staatsbürgerschaft im Urlaub in Griechenland ihren Pass, ist eine Terminvereinbarung in der deutschen Botschaft in Athen nicht einmal erforderlich und das verlorene Dokument wird innerhalb kürzester Zeit neu ausgestellt.


Die Rolle der EU & die Verantwortungsfrage


Das Thema Migration ist sehr viel vielschichtiger und komplexer, als ich es in diesem Blogeintrag beschreiben könnte. Fest steht, dass die Verantwortung nicht nur bei einer Partei liegt. So ist die Situation zweifellos stark durch die offen migrationsfeindliche griechische Regierung geprägt, deren Polizei und Militär viele der illegalen Pushbacks durchführt, das Abkommen mit der Türkei spielt sicherlich eine Rolle und nicht zuletzt der hohe Beitrag der EU in Form von Geldern für Grenzschutz, den Bau von Mauern um Camps und hochtechnisierte Überwachungsanlagen. Solange man in der EU den Grenzschutz und die Verminderung der Asylanträge ganz oben auf die Agenda setzt, solange Griechenland immer wieder für seinen Schutz der Außengrenzen als „Schutzschild Europas“ gelobt wird, wird die Aufnahme und der Schutz von Geflüchteten missachtet und Menschenrechte werden auf Europäischen Boden mit Füßen getreten.

So ergeben sich viele Punkte, an denen angesetzt werden müsste, um die Situation für Geflüchtete in Griechenland zu verbessern. Die europäische Migrationspolitik müsste einen klaren Kurs der Menschenrechte und der Genfer Konvention fahren, selbstkritisch Position beziehen und strukturelle Hürden im Asylprozess abbauen. Die Einforderung der Gesetze und der Konventionen sollte höchste Priorität haben. So sollten Umsiedlungen von Geflüchteten in der gesamten EU unkompliziert möglich gemacht und Gelder vorwiegend für humanitäre und finanzielle Hilfen für den Schutz, die Perspektiven und die Integration von Geflüchteten in die Gesellschaft geleistet werden. Dass Forderungen wie diese umsetzbar sind, ist spätestens seit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und der darauffolgenden schnellen und unbürokratischen Aufnahme ukrainischer Geflüchteter in vielen EU-Ländern, deutlich geworden.


Zu allererst müssen aber ausnahmslos die Menschenrechte eingefordert und durchgesetzt werden: JEDER Mensch muss einen Antrag auf Asyl stellen können und dabei wie ein Mensch beraten, gefördert und behandelt werden.



Solltet ihr Anmerkungen, Rückmeldungen oder Fragen bezüglich Inhalten oder Quellen haben, meldet euch gerne bei mir. Es würde mich außerdem sehr freuen, wenn ihr diesen Artikel mit Familie oder Freunden teilt.

Vor meinem Freiwilligendienst in Griechenland waren mir die Ausmaße der Ungerechtigkeit, die strukturellen Probleme im Migrationssystem und die unmenschlichen Bedingungen, denen Menschen auf der Suche nach Asyl, nach Frieden und Freiheit, in vielen Fällen ausgesetzt sind, nicht bewusst.

Ich hoffe euch durch diesen Artikel anregen zu können sich mit den Umständen in Griechenland näher auseinander zusetzen. Denn ich denke, Wissen ist die elementare Grundlage für Verantwortung und Veränderung, auf jeder noch so kleinen Ebene.


Vielen Dank für Euer Interesse!


Hannah




Quellen:


Die Quellen für meine Schilderungen bezüglich der Themen Flucht und Migration in Griechenland habe ich zu großem Teil aus persönlichen Gesprächen mit Personen, die schon lange im Bereich Flüchtlingshilfe aktiv sind oder selbst Fluchterfahrung haben. So habe ich im letzten halben Jahr während meines Freiwilligendienstes bei NAOMI über meine Chefinnen, Sozialarbeiter*innen, Praktikant*innen und Erfahrungsgeschichten von Geflüchteten viel zu diesen Themen gelernt. Außerdem hatte ich die Möglichkeit auf Einladung meiner Chefin Dorothee Vakalis an verschiedenen Podiumsdiskussionen und Informationstagen rund um die Lage in Griechenland teilzunehmen (über eine davon hatte ich in meinem Blogeintrag https://hannahhertzberg.wixsite.com/thessaloniki-blog/post/und-schon-ist-der-erste-monat-um etwas näher berichtet). Da es mir sehr wichtig ist keine Falschinformationen an Euch zu tragen, habe ich neben diesen persönlichen Erfahrungen weitergehend recherchiert und meinen Eintrag vor dem Hochladen von verschiedenen Personen, die sich mit der Flüchtlingssituation in Griechenland weit besser auskennen als ich, durchlesen lassen.

Meiner Recherche zugrunde liegen einige von Dorothee Vakalis empfohlene Artikel, sowie Interviews und Artikel, deren Journalist*innen und Akteure ich teils persönlich kennenlernen durfte, als sie NAOMI besucht haben.

Bezüglich Informationen zu konkreten Zahlen und dem EU-Türkei-Abkommen habe ich mich außerdem auf Statistiken von UNHCR und einen Artikel von Deutschlandfunk gestützt.

Alle meine Quellen verlinke ich im Folgenden. Ich kann Euch sehr empfehlen euch selbst etwas einzulesen und euch insbesondere das Interview mit meinem ehemaligen Kollegen Hassan und dem Video der Rheinischen Landeskirche, in dem unter anderem meine Chefin Dorothee Vakalis spricht, anzusehen. Außerdem sehr empfehlen kann ich den Podcast „Memento Moria – Was heute an Europas Grenzen passiert“, wenn ihr mehr über die Situation für Geflüchtete an Griechenland und den Grenzen Europas erfahren möchtet.


Hier die Links:


Amnesty International: Illegale Push-Backs von Menschen auf der Flucht


Amnesty International: Greece: Violence, Lies and Pushbacks

https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/griechenland/dok/2021/illegale-push-backs-von-menschen-auf-der-flucht/greece-violence-lies-and-pushbacks.pdf


Arte: Griechenland: Vom langen Warten auf Asyl

https://www.arte.tv/de/videos/106894-000-A/griechenland-vom-langen-warten-auf-asyl/?fbclid=IwAR1wKrjCuoozvN0Ns_mrxRjCszGq_j8PCZr-gn9Hg4tpE1dLH5jpOa5YVZo


BBC: Turkey-Greece border: Twelve migrants die in freezing conditions

https://www.bbc.com/news/world-europe-60229206?fbclid=IwAR3xdjzP8zwi7RkcRdwuVDj3hupBna_ko3F2P-bTMmrJ-HPl-SZN6SYlO44


Deutsche Welle: Griechenland: Abschreckung statt Asyl

https://www.dw.com/de/griechenland-abschreckung-statt-asyl/a-60651124?maca=de-Facebook-sharing&fbclid=IwAR3pCvGGev9HjOnJGYhdo-ZWlpBgqtM-5mo2yWC86o4kgyb1FkVDDIv27ug


Deutsche Welle: Jobs für Geflüchtete in Griechenland (Interview mit Hassan) https://www.dw.com/de/jobs-für-geflüchtete-in-griechenland/av-60695136?fbclid=IwAR14DZt5zcaWZMZTnBykz0jZqCgumvt0_tMh7leI3yF6WU3zei0Qx7RlT3s


Deutschlandfunk: EU-Türkei-Abkommen / Milliarden statt Migranten

https://www.deutschlandfunk.de/eu-tuerkei-abkommen-milliarden-statt-migranten-100.html


EKiRInternet: Präses in Griechenland: „Das darf in Europa nicht sein“ https://www.youtube.com/watch?v=03j1CE1zm3s



Mobile Info Team: Control and Containment, https://www.mobileinfoteam.org/control


Mobile Info Team: Lives on Hold, https://www.mobileinfoteam.org/livesonhold


NAOMI: www.naomi.thessaloniki.net und bei Facebook: @NAOMIPROJEKT1


Pro Asyl: Anerkannte Flüchtlinge in Griechenland: Mit Kind und Kegel auf der Straße https://www.proasyl.de/news/anerkannte-fluechtlinge-in-griechenland-mit-kind-und-kegel-auf-der-strasse/


Pro Asyl: Es gibt Pushbacks an jedem einzelnen Tag in Griechenland https://www.proasyl.de/news/es-gibt-pushbacks-an-jedem-einzelnen-tag-in-griechenland/


Pro Asyl: Koalitionsvertrag 2021–2025: Wichtige Erfolge, aber auch gravierende Lücken https://www.proasyl.de/news/koalitionsvertrag-2021-2025-wichtige-erfolge-aber-auch-gravierende-luecken/


Resettlement.de: Relocation, https://resettlement.de/relocation/


Spiegel: EU-Antibetrugsbehörde erhebt schwere Vorwürfe gegen Frontex

https://www.spiegel.de/ausland/eu-antibetrugsbehoerde-erhebt-schwere-vorwuerfe-gegen-frontex-a-1d445ef2-cbcc-4227-90b4-697481aeb2c7?fbclid=IwAR0MA_lI9GCspjz5-cioz1oagJpJe1z3VnYCXe4qnqfz0_AUShguJLMj3Zs


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